Kann man das Photoshoppen?

Als Fotografin werde ich oft mit einem unsicheren Lächeln gefragt: „Kannst du das wegmachen?“. Natürlich kann ich. Die Frage ist: will ich. Denn ein Foto, das bis zur Unkenntlichkeit retuschiert wird, hat mit der Realität wenig zu tun. Will man also das perfekte Insta-Bild? Ok, versteh ich. Wir tappen doch alle immer wieder in die Falle der sozialen Netzwerke, nach der allgemeinen Anerkennung zu streben. Aber die Menschen, die mir wirklich wichtig sind, kennen mich, so wie ich bin, mit Falten und Hüftspeck. Denen brauch ich nichts vormachen. Und so gesehen ist es eh‘ schon Wurscht. 

Ich bin in das Mama-Sein-Gefühl hineingewachsen. Das heißt nicht, dass ich mich gehen lasse.

Nach der Geburt meines ersten Kindes bekam ich wie über Nacht graue Strähnen an den Schläfen. Ich hab mich fürchterlich geärgert, denn als frischgebackene Mami war ich sowieso nicht unbedingt mit meinem Körper im Reinen. Ich habe den Tag herbeigesehnt, an dem ich meine Haare endlich färben kann. Inzwischen darf ich, will aber nicht mehr. Es hat sich etwas verändert, denn ich bin in dieses Mama-Sein-Gefühl hineingewachsen. Das heißt nicht, dass ich mich gehen lasse, weil ich mich nur noch um die Kinder kümmere. Sondern dass ich die Falten um die Augen und die grauen Haare voller Stolz annehme. Sie erzählen Geschichten. Wie ich tagelang keinen Schritt mehr gerade laufen konnte, weil mir wegen einem Gleichgewichtsorganausfall so unfassbar schwindlig war. Wie ich mir jedesmal auf die Lippen gebissen habe, weil das Stillen in den ersten Wochen so schmerzhaft war. Wie wir mit einem dreimonatigen Baby spontan umgezogen sind. Aber auch wie ich die ersten Nächte nicht schlafen konnte, weil ich ständig das kleine Wunder neben mir betrachtet habe. Wie ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekam, als meine Kleine ihre ersten Schritte machte. All die Lachanfälle und Freudentränen, wieso sollten die keine Spuren hinterlassen dürfen?

Ich bin keine 16 mehr. Ich will auch nicht so aussehen müssen. Und das Tolle daran: solange ich kein Problem damit habe, hat auch niemand sonst eines. Oder hat euch eine Freundin schonmal gesagt: Du, Liebes, ich mag jetzt keinen Kaffee mehr mit dir trinken, weil du mir einfach zu viele Lachfalten um die Augen hast? Yeah, right. Oder sagt euch eure kleine Tochter im Freibad: Oiso echt, Mama, bei deiner Orangenhaut dad i ma fei a Handduach rumwickeln? Die äußerlichen Makel, die uns oft so stören, fallen den meisten nichtmal auf und sind eigentlich sowas von unwichtig, dass ich mich schämen sollte, sie überhaupt zu erwähnen. Ich bin einfach froh und dankbar, gesund zu sein und das Privileg zu haben, alt werden zu dürfen. Und ihr Mädels da draussen, glaubt mir: ihr seid so wunderbar, ganz ohne Photoshop!

PS: Diesen sehr schönen Film zu genau dem Thema kennt ihr sicher: Embrace – Du bist schön!

© Lena Wandinger Photography