Von der Dankbarkeit

Zur Zeit bin ich sehr emotional. Meine Oma starb letzte Woche und der Wind und der Winter stimmen mich immer so melancholisch. Heute habe ich mit meiner Mutter den Adventskranz gebunden. Das machen wir seit der Geburt meiner Tochter vor 4 Jahren am Freitag vorm ersten Adventssonntag, aber so stimmungsvoll war es noch nie. Mit einem Kaffee, norwegischen Weihnachtsliedern von Silje Nergaard, dem Duft der grünen frischen Zweige auf dem schwarzen Tisch: ein Moment für alle Sinne.

Die Kinder sind inzwischen groß genug, dass sie für uns die kleinen Zweige abzwicken können, eine Beschäftigung, die schon meine Mutter für ihre Mama immer tat. Dieses Kranzbinden war wie eine Meditation. Man kann nebenher reden und das tun wir gerade oft und es tut gut. Zu sehen, wie etwas entsteht aus einer Idee und dann ganz anders wird als gedacht, aber man sich einfach über das Ergebnis freut. Es war perfekt.

Kann man machen, muss man aber nicht. Die Hälfte davon kann ich keinem anbieten, der meine Kinder nicht abgöttisch liebt.

Die letzte Zeit war sehr viel los, ich habe die Weihnachts-Fotosaison mitgenommen, meine ersten Aquarell-Kalligraphie-Postkarten drucken lassen (ein Herzensprojekt, später mehr dazu), meine Oma oft besucht und nebenbei versucht, eine gute Mama, Ehefrau und Hausfrau zu sein. Das ist nicht immer leicht, wie wir alle wissen. Deswegen war es mir wichtig, den Advent ganz frei von Terminen zu halten und darauf kann ich mich jetzt richtig freuen. Die ersten Lebkuchen und Plätzchen sind gebacken, von den Kindern und mir. Kann man machen, muss man aber nicht. Die Hälfte davon kann ich keinem anbieten, der meine Kinder nicht abgöttisch liebt. Die ersten Schneeflocken hängen in den Fenstern und werden schon wieder versetzt. Die Weihnachtskarten sind bestellt und der Adventskalender bestückt. Diese Papierhäuschen gibts allerdings nächstes Jahr nicht mehr. Außer man betrachtet das stundenlange Zusammenpfrimeln als Beschäftigungstherapie… Ich bin sowas von bereit für die „scheene staade Zeit“.

Aus diesen Gründen ist es nicht weiter verwunderlich, dass mir schon die Tränen kamen, als ich das Buch nur sah, welches meine Mutter mir mitgebracht hatte: „Mein schönster Advent“ (Kerstin Niehoff, Laura Fleiter, Hölker Verlag). Wundervolle Bilder, die mich voller Sehnsucht an Norwegen denken lassen und Worte, die klingen, als kämen sie aus dem Munde meiner Oma, meiner Mama oder meinem.

Der ganze Konsumgedanke hat mich an Weihnachten schon lange gestört und die Autorinnen sprechen mir aus der Seele. Kennt ihr das, wenn jemand genau das sagt (oder schreibt), was ihr gerade denkt? Ich habe mich so wiedergefunden und war so be- und gerührt, ein wirklich wundervolles Buch, vielen Dank für eure tolle Arbeit!

Wirklich wichtig ist es, auch für das Schlechte und Schwere dankbar zu sein.

Meine gute amerikanische Freundin schrieb heute, dass es einfach sei, für die guten Dinge im Leben dankbar zu sein. Wirklich wichtig wäre es, auch für die schweren Zeiten Dankbarkeit zu empfinden und diese Worte nehme ich mir zu Herzen. Menschen, die mir sehr nahe stehen, machen gerade eine schwere Zeit durch. Es fällt mir sehr schwer, diese gefühlte Machtlosigkeit ihrem Leiden gegenüber zu akzeptieren und dafür auch noch dankbar zu sein. Dennoch fühlt man sich gerade in den düstersten Momenten, als wäre man gerade genau da, wo man sein muss und auch sein will. Und das ist eine Gewissheit, für die ich dankbar sein kann.

Als der Pfarrer meine Oma fragte, ob sie Angst vor dem Sterben habe, verneinte sie. Zu wissen, dass sie stirbt, aber keine Angst hat, war ein Gedanke, für den ich ebenfalls sehr dankbar bin. Ich denke auch, dass es die Hoffnung und das Vertrauen in Gott war, die meine Oma so lange hat „überleben“ lassen, das ist ihr Vermächtnis an uns. Mit allen Enkeln und Urenkeln hatte sie 47 Nachfahren, die alle in den letzten Tagen zusammenkamen und sie begleiteten. Deswegen bin ich trotz aller Traurigkeit erfüllt von Liebe und unendlicher Dankbarkeit für das Leben. 

Von „Thanksgiving“ zum Black Friday. Das ganze „Nicht verpassen!“ und „Jetzt zuschlagen!“ hat mich ehrlich gesagt noch nie so genervt und gestresst wie dieses Jahr. Auf allen Kanälen. Ich war wirklich froh, dass ich heute nicht aus dem Haus musste…

Bei den Weihnachtsgeschenken mache ich es mir dieses Jahr etwas schwerer, weil ich versuche, möglichst wenig Materielles zu schenken. Leuchtende Kinderaugen am Christbaum gehören irgendwie dazu und dass dieser Glanz nicht im direkt proportional zu der Anzahl der Geschenke ist, leuchtet nicht im ersten Moment ein. Wohl aber, wenn man diesen Artikel liest: „It’s true! Giving your kids fewer toys at Christmas makes them happier!“. Das ergibt für mich Sinn und ich möchte mich in Zukunft noch mehr daran orientieren.

Also, ihr Lieben, auch mein Wort zum Black Friday: kauft weniger und lebt mehr. Außer vielleicht dieses schöne Buch, das lohnt sich wirklich…

© Lena Wandinger Photography